Zum heutigen I love Free Software Day möchte ich quasi einmal “über den Tellerrand hinausschauen” und dabei die Bedeutung Freier Software für die Reparierbarkeit sowie die Wieder- und Weiterverwendung (die “Nachhaltigkeit”) von Hardware beleuchten. Da Software kritisch ist für einen erfolgreichen Betrieb und der Weiternutzung von Hardware, kann Freie Software einen entscheidenden Beitrag zu Umwelt- und Verbraucherschutz leisten.

Immer deutlicher tritt in Erscheinung, dass proprietäre Software, dahinter stehende Geschäftsmodelle und geplante Obsoleszenzen von Software sich negativ auf die Reparierbarkeit, Wiederverwertbarkeit und die allgemeine Produktlebensdauer von Hardware auswirken. Nachdem bereits das Umweltbundesamt und das Europäische Parlament diese Gefahren erkannt haben, hat im Januar auch der Runde Tisch Reparatur (RTR) ein dazu passendes Diskussionspapier “Softwareobsoleszenz als Herausforderung für die Reparatur” veröffentlicht.

Der RTR ist ein Zusammenschluss verschiedener Zivilvertreter und -verbände und die Veröffentlichung greift direkt und indirekt die Bedeutung Freier Software zur Vermeidung von Produktobsoleszenz durch Software auf. Die dazu konsequent ausgeführten Argumente möchte ich in diesem Blogpost ausbreiten.

Grunddilemma: Software, Hardware und die Umwelt

Worin besteht eigentlich das grundsätzliche Problem im Wechselspiel zwischen Software und Hardware auf die Nutzungsdauer von Hardware?

Die Softwareabhängigkeit bewirkt bei vielen Produkten einen vorzeitigen Funktionsverlust (funktionelle Obsoleszenz), indem die technische Nutzbarkeit der Software verloren geht oder der subjektive Nutzen des Gerätes aus Sicht des Anwenders nicht mehr gegeben ist”.

Diese Vulnerabilität der Hardware gegenüber der verwendeten Software wird dabei noch potenziert durch die Verwendung proprietärer Software, denn:

“Kündigt der Hersteller den Software-Support für ein Gerät auf, zwingt er NutzerInnen zum Upgrade oder zum Wechsel auf ein neues System. Gibt es keine Upgrade-Möglichkeit und auch keine Möglichkeit zum Wechsel auf ein neues System mit bestehender Hardware, bleibt dem/der NutzerIn nur ein Wechsel der Hardware;”

Derartige Upgragde-Zwänge werden meist mit sogenannten “Lock-in-Effekten” kombiniert und sind immanent in den meisten gängigen Geschäftsmodellen proprietärer Software. Teilweise ist es aber auch ein gewünschtes Zusammenspiel von Software- und Hardware-Herstellern, in dem beide Branchen letztendlich von einem ständigen Update-Zwang profitieren und zugleich alte Systeme nicht länger gewartet werden müssen. Oder es mutiert gar zu einem doppelten Gewinn bei solchen Unternehmen, in denen Soft- und Hardwarehersteller in Union zusammenkommen.

Aber auch

“Peripheriegeräte können nicht mehr genutzt werden, da die Hersteller keine aktualisierten Softwaretreiber bei Upgrades der Gerätesoftware mehr zur Verfügung stellen.”

Nicht weiter entwickelte oder unterstützte, proprietäre Software fördert zudem nicht nur die Entwertung von Hardware sondern beschränkt bereits zu Lebzeiten die Reparatur sowie die Weiterverwendungsmöglichkeiten im Anschluss, denn:

“Geschlosse und geschützte Systeme (proprietäre) verhindern eine herstellerunabhängige Reparatur oder Wartung durch die Nutzerinnen oder Drittparteien. Ein(e) möglicher Weiterbetrieb und -entwicklung der Systeme durch eine (Open Source) Community ist ebenfalls ausgeschlossen;”

und

“Der Reuse-Faktor von IT-Produkten sinkt erheblich, indem Dritten der Zugang zu herstellerspezifischen Diagnosetools, Software-Frameworks, Dokumentationen und dem Quellcode der Software erschwert wird.”

Diese bisher in dem Diskussionspaper ausgebreiteten Probleme haben spürbare Nachteile für den freien Wettbewerb und damit für VerbraucherInnen. Lock-in-Effekte, Updatezwang und verpflichtende Vertragswerkstätten sind nur einige Elemente einer fortschreitenden Monopolisierung zu Gunsten weniger Hersteller. Sie gehen aber darüber hinaus in aller Regel auch – und darüber reden die meisten von uns noch viel zu wenig – mit spürbaren Nachteilen für die Umwelt einher.

Denn letztendlich wird eigentlich noch funktionierende Hardware entwertet oder gar unbrauchbar gemacht – obwohl

“Studien hinreichend belegen, dass eine verlängerte Lebensdauer von IT-Produkten gegenüber der Neuanschaffung mit einem geringeren Ressourcenaufwand und weniger Umweltauswirkungen einhergehen.”

Gebrauchte CPU. (Bild von Ondřej Martin Mach, CC-BY-SA-3.0 via Wikimedia Commons.)

Lösungsansätze von und durch Freier Software

In seinem Diskussionspaper zur Software-Obsoleszenz fordert der RTR, dass Softwareprodukte als ein Teil der integrierten Produktpolitik der Europäischen Kommission behandelt werden. Erklärtes Ziel dieser integrierten Produktpolitik wiederum ist es die Umweltauswirkungen eines Produktes über den kompletten Lebenszyklus zu minimieren. In den zum erreichen dieses Zieles vom RTR daraufhin vorgeschlagenen Lösungsansätzen, finden sich häufig Lösungen von und durch Freie Software.

Außerdem wird vom RTR zum Ziel erklärt, dass Software zu jedem Zeitpunkt nur diejenigen Hardwareressourcen beansprucht, die es für die jeweilige Aufgabe benötigt. Helfen soll dabei zum Beispiel ein modularer Aufbau der Software. (Über die positiven Aspekte der Modulariät Freier Software hinsichtlich der Nachhaltigkeit von Software habe ich an anderer Stelle bereits geschrieben.)

Ganz konkret fordert der RTR die:

“Unterstützung sparsamer Datenformate in Hinblick auf Bandbreite und Speicherplatz;”

sowie die

“Unterstützung offener Standards bei Datenformaten;”

Es ist erfreulich zu sehen, dass vom RTR hier beide Aspekte – Sparsamkeit und Offenheit – so deutlich und jeweils für sich angesprochen werden. Denn offene Standards sind natürlich ausschlaggebend für die Interoperabilität und damit auch für die Lebensdauer von Geräten. Aber, wie auch Bernhard Reiter ausführt, sollte zugleich auch ein “Minimalgebot für Datenformate” bedacht sein. Dies sowohl aus Gründen der Sparsamkeit als aber auch der Sicherheit.

Noch einen Schritt weiter geht der RTR wenn es darum geht, ältere aber noch funktionstüchtige Geräte weiterhin im Betrieb zu halten. Hier fordert der RTR direkt

“die Offenlegung des Quellcodes bei Einstellung des Supports durch den Hersteller”

Eine solche automatische Offenlegung würde sicher den ein oder anderen positiven Effekt haben, wenn auch eventuell nur, dass der Hersteller beschließt seinen Support doch nicht einzustellen. Dennoch soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass mit der Offenlegung des Quellcodes noch nicht das Ende vom Lied erreicht ist. Denn eine Offenlegung des Quellcodes ohne diesen gleichzeitig unter eine Freie Lizenz zu stellen hat zunächst wenig Vorteile. Eventuell könnte es sich sogar negativ auswirken, da alle Welt zwar nach Fehlern suchen kann um diese auszunutzen, aber keiner diese beheben darf – auf Grund fehlender Lizenzrechte.

Aber selbst bei Veröffentlichung des Codes unter Freier Lizenz gehört für eine sinnvolle Weiterverwendung des Codes auch eine aktive Community dazu. Immerhin – diese kann sich dann rund um den offengelegten Code und dessen Lizenz herausbilden. Noch besser und viel versprechender wäre es aber, wenn der ursprüngliche Hersteller bei diesem Prozess helfen würde durch Zugang zu interner Dokumentation, beispielweise.

Schließlich, und um die Reparierbarkeit zu fördern und einen freien Markt zu ermöglichen fordert der RTR den:

“Einsatz von Open Source oder Open Innovation Lösungen zur Förderung der Herstellerunabhängigkeit und Nutzerautonomie”

Ausblick

Es ist meines Erachtens nach längst überfällig, dass wir uns mit der Nachhaltigkeit unserer IT beschäftigen, am besten auf mehreren Ebenen. Von der nachhaltigen Verwendung der Hardware über die nachhaltige Verwendung von Energieressourcen zu der Verwendung nachhaltiger Software. Über letztere habe ich übrigens an anderer Stelle in diesem Blog bereits ausführlich geschrieben.

Mit der fortschreitenden Digitalisierung unseres Arbeitslebens und unseres Alltags, mit dem sogenannten “Internet of Things”, erleben wir aktuell und sicher auch noch in den kommenden Jahren einen nahezu exponentiellen Zuwachs von Hardware, Computern und Software. Um trotz dieser Entwicklung die zu befürchtenden negativen Umwelt- und Klimaauswirkungen möglichst gering zu halten, müssen wir auf uns auf lange Sicht Gedanken über möglichst nachhaltige Technologien und deren umfassenden Einsatz machen.

Je mehr Studien diesbezüglich angefertigt werden, desto offensichtlicher wird dabei werden, dass Freie Software für die Entwicklung und Bereitstellung nachhaltiger Technologien eine wichtige Bedingung und Hilfe ist. Und deshalb möchte ich auch in diesem Jahr einmal mehr “I love Free Software” sagen. Nicht nur, weil es allen Nutzern seit je her die 4 Freiheiten schenkt, sondern auch weil es immer klarer wird, dass Freie Software auch der Umwelt hilft beziehungsweise helfen wird.

Lasst uns jetzt die Chance ergreifen, die Bedeutung Freier Software in aufkommende Verbraucherschutz- (Reparatur) und Umweltschutz-orientierten (Nachhaltigkeit) Diskurse einzubringen und damit neue Zielgruppen erreichen sowie neue Allianzen zur Förderung Freier Software schmieden.

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