Das Land Sachsen-Anhalt will mitmachen, up-to-date sein, die Digitalisierung als Chance verstehen, Schule und Lehre modernisieren. Soweit gut, doch leider verpasst die aktuelle Regierung dabei die Chance, eine gute Ausbildung mit digitaler Selbstbestimmung und der Unabhängigkeit der Lehre zu verknüpfen. Anstatt auf den Ausbau von Open Educational Resources mit Freier Software zu setzen, plant die Landesregierung eine vollumfängliche Kooperation und Ausstattung aller öffentlichen Schulen mit Microsoft. Dazu gehört die verpflichtende Nutzung von MS-Software und online-Services bis hin zum Aufbau einer eigenen Microsoft “IT-Academy”. Das ganze unter dem offiziellen Dach der staatlichen Schule und Schulbildung, bezahlt durch den Steuerzahler.
Derartiges Vorhaben darf nicht zugelassen werden. Das ist nicht nur schlecht für den Datenschutz der Schülerinnen und Schüler und das Geld der Steuerzahlenden. Es verhindert zugleich den freien Wettbewerb und damit die Chancen lokaler Dienstleister. Vor allem aber treibt es Generationen von jungen Menschen in die Abhängigkeit zu Microsoft.

Science-Fiction Autoren warnen gerne vor einem gesellschaftlichen Kontrollverlust im Rahmen zunehmender Technologisierung. Die Landesregierung Sachsen-Anhalts macht aktuell blendend vor, wie das geht: sie beschließt, dass fortan einfach alles Microsoft werden soll.
Der Finanzminister Sachsen-Anhalts, Jens Bullerbahn (SPD), hat dazu einen “Letter of Intent”, also eine Absichtserklärung über eine “Partnerschaft des Landes Sachsen-Anhalt und der Microsoft Deutschland GmbH” unterschrieben und das Vorhaben im Rahmen der Cebit 2015 bekanntgegeben. Politisch prekär: Die Regierung handelt hier über die Köpfe der Kommunen, des Kultusministeriums sowie des Landesdatenschutzbeauftragten hinweg. Niemand wurde vorab auch nur in irgendeiner Form über diese Pläne informiert.

Der bisherige Zeitplan der Absichtserklärung sah ein “In-Kraft-treten” bereits 10 Wochen später, zum 30.5.2015, vor. Dieser Zeitplan konnte jedoch vorerst durch Widerstand und einen Antrag der Fraktion Die Linke unter Federführung ihres netzpolitischen Sprechers Jan Wagner verzögert werden.
Aber, es gibt kein Grund zum Ausruhen: Der neue Zeitplan sieht nun ein In-Kraft-treten schon im September vor.

Leider ist das Dokument des Anstosses nicht öffentlich einsichtlich und auch eine Anfrage auf Vereinbarungen, Unterlagen, Verträge sowie Absichtserklärungen und Entwürfe der “Partnerschaft zwischen Microsoft und dem Land Sachsen-Anhalt” auf fragdenstaat.de ergab lediglich ein vollkommen geschwärztes Dokument zur “Einsicht” zurück. Dem Autor wurde jedoch eine ungeschwärzte Kopie zugespielt und das Dokument liest sich grauenhaft:

  • Das Land Sachsen-Anhalt beschließt Verträge mit Microsoft Irland zum “Aufbau einer zentralen digitalen Bildungsinfrastruktur” = Aufbau eines zentralen Verzeichnisdienstes (“Active Directory”), mit Hilfe dessen alle Computer die im schulischen Umfeld eingesetzt werden (egal ob Schüler, Lehrer, Ministerium) zentral verwaltet und beispielsweise Zugriffs-Berechtigungen gesetzt oder entzogen werden können. Nicht mehr der Lehrer entscheidet also wer am digitalen Unterricht teilnimmt – sondern Microsoft.
  • Weitere Verträge mit Microsoft Irland sehen vor IT-Lern- und Lehrarbeitsplätze unter Verwendung von MS-Account, Office 365, Kalender, Outlook, Hotmail, Skype, Skydrive, SharePoint und Yammer für alle zu errichten. Die An- und Verwendung dieser Software wird damit zur Schulpflicht, für Jede und Jeden.
    Dafür gibt es das ganze nicht nur “kostenlos” (was Angesichts der zum Vertrag zugehörigen Beratungskosten durch Microsoft Consulting Services & Premier Services reine Augenwischerei ist) sondern “darf auch noch zu Hause genutzt werden” … Wir reden hier von 220.000 Schülerinnen und Schüler und 18.000 Lehrerinnen und Lehrer! Komplette Generationen, deren Seelen an Microsoft verkauft werden. Junge Menschen die von der Grundschule an gezwungen werden, für alles was mit Schule zu tun hat, Microsoft zu benutzen. Die ganze Schulzeit hindurch werden sie an Microsoft gewöhnt, trainiert und gelehrt. Und dann, am Ende, haben sie vor allem eins gelernt: Schule ist Microsoft. Deutschland ist Microsoft. Alles ist Microsoft.
    Selbst wenn sie neugierig genug sein sollten, sich andere Systeme anzuschauen: Die Daten, die sie bin dahin produziert haben sind wohl für immer an Microsoft und dessen proprietären Formate gebunden und ein Umstieg bedeutet damit zugleich den Verlust dieser Daten, ihres bisherigen Werdegangs.
  • Die Krone soll dem Ganzen noch durch eine sogenannte “IT-Academy” aufgesetzt werden, die aber mit genereller IT absolut gar nichts zu tun hat. Stattdessen sollen “produktspezifische Trainings und weltweit anerkannte Microsoft-Zertifizierungen” für Lehrende, Lernende und Mitarbeitende angeboten werden. Schülerinnen und Schüler sollen also im Rahmen der Schule (welche in diesem Alter oft noch eine Art Wahrheitsmonopol besitzt) von Kindesbeinen an und offiziell durch Schule und Lehre gefördert eine Ausbildung vom Microsoft User bis zum Sys-Admin durchlaufen können. Und das ganze auch noch bezahlt von Steuergeldern.
  • Nicht zu vergessen: Durch die Arbeit mit der “Cloud-Plattform” Microsoft Azure gilt auch für die Daten dieser noch minderjährigen Schülerinnen und Schüler: Alles ist Microsoft.
    Alle Daten dieser Kinder in den Händen einer amerikanischen Großfirma, die wie kaum eine andere mit der NSA kooperiert.

Das ist keine Bildung mehr, das ist keine Lehrfreiheit, das ist keine Erziehung zum mündigen Staatsbürger. Derartige Pläne enden vielmehr in Microsoft-hörige und -abhängige Mitbürger und helfen damit einer fortschreitenden Zentralisierung und Kontrolle digitaler Infrastrukturen durch außereuropäische IT-Unternehmen und proprietärer Software. Deshalb müssen wir diese Entwicklung verhindern. Oder, in Anlehnung an Pink Floyd: “We don’t need no M$-ucation. We don’t need no thoughts control””

Update:

Hilf den Schülerinnen und Schülern in Sachsen-Anhalt und zeichne die Petition: Vorvertrag “Partnerschaft des Landes Sachsen-Anhalt und der Microsoft Deutschland GmbH” kündigen


Du interessierst Dich für Freie Bildung auf Grundlage Freier Software? Dann könnte Dich auch das Positionspapier des Bündnis Freie Bildung interessieren.