Das Land Sachsen-Anhalt steht kurz davor, einen Vertrag mit Microsoft zu unterzeichnen, der vorsieht alle staatlichen Schulen des Landes künftig mit Microsoft Diensten und Programmen auszustatten. Die bisherige Absichtserklärung ist besonders prekär mit Blick auf den Datenschutz aller Lernenden, Lehrenden und Mitarbeitenden. Zudem unterstützt der Staat damit eine Produktbindung junger Menschen an verschlossene IT Lösungen.

Eigentlich hätte eine derart weitreichende Entscheidung – das Errichten einer einheitlichen, zentralisierten Schul-IT – durch ein Übereinkommen von Kommunen, dem Kultusministerium sowie dem Datenschutzbeauftragten besiegelt werden müssen. Weil ihm deren Zustimmung aber vielleicht zu unsicher war, hat der Finanzminister Sachsen-Anhalts, Jens Bullerjahn (SPD), jedoch kurzerhand im Alleingang einen Absichtserklärung über eine “Partnerschaft des Landes Sachsen-Anhalt und der Microsoft Deutschland GmbH” unterschrieben – ohne vorab die anderen Entscheidungsträger zu konsultieren.

Auch sonst schien es dem Finanzministerium lange Zeit wichtig zu sein, die konkreten Verhandlungen lieber geheim zu halten. Obwohl die Absichtserklärung bereits im März erstmals bekannt gegeben wurde ergab im April eine Anfrage auf fragdenstaat.de zur “Partnerschaft zwischen Microsoft und dem Land Sachsen-Anhalt” lediglich ein vollkommen geschwärztes Dokument zur “Einsicht” zurück. Seit kurzem aber ist das Dokument endlich veröffentlicht und daraus zitiert:

“Als eine der ersten Maßnahmen wird hierbei ein zentraler Verzeichnisdienst (Active Directory, Sicherheits- und Identitätsmanagement) begründet, der alle Akteure in der Bildungslandschaft einschließt, gleich ob Lehrende, Lernende oder sonstige Verwaltungsmitarbeiter […] Das Ministerium der Finanzen verantwortet und gestaltet die strategische Architektur, den zentral gesteuerten Aufbau, den Betrieb und die Weiterentwicklung dieser Kernkomponente”


Der angesprochene “zentrale Verzeichnisdienst”, also das “Microsoft Active Directory” dient dazu, allen Geräten innerhalb eines verwalteten Netzwerks Zugriffe oder Beschränkungen zu erteilen. Zum Beispiel ob der User XY Admin- oder nur normale Nutzungsrechte bekommt, oder ob der Besitzer eines Gerätes Zugriff auf das Kursmaterial XY bekommt. Problem: dummerweise bevorteilt das Microsoft eigene Active Directory auch die hauseigene Windows-Software. Die Einbindung von Konkurrenzprodukten, beispielsweise die Integration von Unix-ähnlichen Systemen wie Linux ist oft nur eingeschränkt möglich. Im schlimmsten Falle kann ein Lernender gar nicht die gestellten Unterrichtsmaterialien herunter- oder hochladen, weil er ein nicht-Windows Gerät benutzt und ihm das Active Directory dafür nicht die richtigen Gruppen-Berechtigungen setzen kann. Es entsteht ein Druck sich für den Fall der Fälle besser mindestens eine Windows-Maschine, Phone oder Tablet zu besorgen.

“Ein Rahmenvertrag mit Microsoft Irland für das Schulwesen in Sachsen-Anhalt kann allen schulischen Institiutionen inklusive deren Schülern, Lehrkräften und Mitarbeitern die Nutzung der zentralen Bildungsinfrastruktur ermöglichen: Kernbestandteil ist ein IT-Lern- und Lehrarbeitsplatz, der auf der Plattform Office 365 und der vom Ministerium der Finanzen geschaffenen zentralen digitalen Infrastruktur basiert.”

Kernbestandteil aller IT baut also auf Office 365, die Büroanwendungssoftware der Firma Microsoft. Bei der Verwendung von Office 365 werden standardmäßig alle Dokumente “in die cloud” geladen. Und wir reden hier nicht nur von Lehr- und Lernmaterial aus dem Unterricht. Sondern auch von den Dokumenten der “Mitarbeitenden” und damit der Schulverwaltung. Die wiederum verwaltet äußerst persönliche Daten, zudem Auskünfte über Eltern und Geschwister. Diese Dokumente landen dann am Ende auf den Servern von Microsoft, die wiederum in Irland stehen. Auf Servern einer Firma, die bekannt dafür ist, großzügig mit der NSA kooperiert zu haben. Das ganze in Irland, das dafür bekannt ist es mit dem Datenschutz nicht so streng zu nehmen wie andere Länder in Europa.

“Microsoft Irland bietet über die Plattform IT-Academy produktspezifische Trainings und weltweit anerkannte Microsoft-Zertifierungen, die von Lehrern, Schülern und Mitarbeitern an der Schule genutzt werden können.”

Innerhalb des Rahmens einer öffentlichen, staatlichen Schule wird die Möglichkeit gegeben werden “produktspezifische Trainings” von Microsoft absolvieren zu können? Ein besseres Marketing kann sich Microsoft ja kaum vorstellen – in einem von Konkurrenz triefenden Markt. Jungen Menschen zudem die Monpolisierungsstrategien Microsofts – die Verwendung verschlossener Formate und Produkte – als zukunftssicher zu verkaufen, ist mit dem Boom Freier Software und erfolgreichen Open Source Strategien unverständlich.

Doch was könnte es für das Marketing eigentlich noch besseres geben als direkt in die Köpfe der Schüler einzutauchen? Richtig: bereits in der frühkindlichen Erziehung die Weichen auf Microsoft stellen:

“Zur Förderung der frühkindlichen Spracherziehung beabsichtigt Microsoft mit seiner Initiative “Schlaumäuse – Kinder entdecken Sprache”, Pädagogen, Kindertagesstätten und Grundschulen mit der entsprechenden Software sowie Integrationconsulting und Schulungen zu unterstützen.”

Was dort in Sachsen-Anhalt geschieht werden wir in Zukunft leider noch öfter begegnen. Dabei ist derart enge Verzahnung von Produkten und staatlicher Bildung höchstgradig gefährlich. Staatliche Bildung sollte “Allgemeinwissen” vermitteln, also grundlegende Konzepte der Arbeit mit einem Computer oder auch anderer Medien. Der Unterricht sollte dazu einen kritischen und reflektierten Umgang mit verschiedenen Technologien und Medien fördern um eine selbstbewusste Verwendung derselben ermöglichen. Auf keinen Fall aber sollte die Schule jungen Menschen die Verwendung von Microsoft Produkten aufdrängen, die Daten öffentlicher Verwaltungen auf Microsoft Rechnern in Irland speichern und obendrauf noch produktspezifische Trainings für Microsoft anbieten.

Nun gilt es in Sachsen-Anhalt zu handeln bevor es zu spät ist, denn die Regierung möchte so schnell wie möglich Tatsachen schaffen. Widerstand regt sich bereits von der Opposition. Und im Frühjahr sind in Sachsen-Anhalt Landtagswahlen. Sollte bis dahin ein In-Kraft-treten der Absichtserklärung verhindert werden können, dann könnte das Thema es vielleicht in den Wahlkampf schaffen.

Es wurde bereits eine Petition zur Kündigung des genannten Vorvertrages am Landtag Sachsen-Anhalt eingereicht. Aber in Sachsen-Anhalt gibt es leider nur ein Einzelpetentenrecht, Petitionen können deshalb nicht öffentlich mitgezeichnet werden. Das macht es natürlich auch einfacher, eine eingereichte Petition “unauffällig” abzulehnen. Um also etwas mehr Öffentlichkeit zu erzeugen, wurde die Petition nun auch parallel auf openpetition.de aufgesetzt. Wenn Du helfen möchtest, sag es weiter und zeichne die Petition mit.